Erneuerbare können mehr

Aus der neusten Halbjahresstatistik des BWE | ©BWE, VDMA, Deutsche Windguard

Die Erneuerbaren Energien wachsen in Deutschland weiter. Die Windenergie boomt sowohl an Land als auch auf See. Der Bundesverband Windenergie und der Arbeitskreis Energiestatistik haben Zahlen vorgelegt die im 1.Halbjahr 2017 einen kontinuierlichen Zuwachs belegen.

Auf dem Meer konnten bis Ende Juni über 623 Megawatt (MW) neue Windleistung neu installiert werden, an Land mit fast 2300 MW nahezu viermal so viel. Auf dem Meer vor der deutschen Küste können damit bei steifer Brise bis zu 4.750 MW Strom aus Wind erzeugt werden, an Land etwa 48.000 MW. Das entspricht zusammen theoretisch etwa zwei Drittel des durchschnittlichen Strombedarfs. Doch diese Relation ist nur eine Vergleichsgröße, weil gleichzeitige Volllast in allen Anlagen niemals eintritt. In diesem Jahr wird diese Erzeugungskapazität jedoch im Vergleich zum letzten Jahr deutlich besser genutzt. Der „Bericht zur Entwicklung der erneuerbaren Stromerzeugung und Leistung in Deutschland“ der Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien Statistik hat ermittelt, dass im ersten Halbjahr 2017 etwa 107 Terrawattstunden (TWh) Strom aus Erneuerbaren Energien erzeugt wurden. Das ist etwa 10% mehr als 2016. Die Steigerung bewirkt, dass Stromproduktion aus Erneuerbaren Energien in Deutschland dieses Jahr 35-37% erreichen kann. Ist die Energiewende nicht mehr zu stoppen?

Realpolitik verleugnet Klimawandel

Man könnte meinen in Deutschland liefe die Energiewende auf vollen Touren. Doch ein Blick auf die Entwicklung der deutschen Treibhausgase zeigt, dass Deutschland seine Treibhausgase nicht ausreichend schnell reduziert. Die Klimaschutzpolitik in Deutschland befindet sich in einer Art Schockstarre. Der Ruf Deutschland, ein Vorreiter im Klimaschutz zu sein, verblasst angesichts des Erfolgsmangels:

  • Bei dem Ausbau der Stromerzeugungskapazitäten aus Sonnenenergie wird das angestrebte Marktvolumen von 2500 MW pro Jahr deutlich unterschritten.
  • Das Wachstum der Photovoltaik wird seit 3 Jahren durch immer rigidere gesetzliche Beschränkungen begrenzt, z.B. mit der Abgabenbelastung von selbst verbrauchtem Strom aus eigener Erzeugung.
  • Die Treibhausgasemissionen in Deutschland sinken seit Jahren nicht mehr, ohne dass zusätzlich in den Klimaschutz investiert wird
  • Im Wahljahr haben Klimaleugner in der AfD und der FDP die Oberhand gewonnen. In der AfD wird der Einfluss des Menschen auf den Klimawandel bezweifelt, bei der FDP die Einflussmöglichkeiten deutscher Klimapolitik in Frage gestellt. Beide Parteien gaukeln vor Klimawandel sei billiger als die Vermeidung von Treibhausgasen zur Begrenzung der Erderwärmung auf unter 2° wie im Pariser Klimaabkommen vorgesehen.
  • Das Ausschreibungsvolumen für Erneuerbare Energien ist zum Erreichen der Klimaschutzziele nicht ausreichend

Andere Themen wie der Dieselskandal und die Flüchtlingskrise haben die Themen Klimaschutz und Energie in den Hintergrund gedrängt. Das versuchen einige mit alternativen Fakten auszunutzen, denn damit lässt sich besser Wahlkampf machen als mit unbequemen Wahrheiten. Die Landesregierungen in Brandenburg und NRW haben sich in einen Wettlauf um die am meisten rückwärts gewandte Energiepolitik begeben. Sie setzen darauf, die Braunkohle als Energieträger mit besonders viel schädlichen Emissionen, noch möglichst lange weiter zu nutzen.

Ein fatales Signal an die Wirtschaft

Die Braunkohleindustrie wird gefördert, die Solarindustrie wurde aus dem Land getrieben. Der Bundesverband Windenergie warnt vor einem dramatischen Einbruch der Investitionen in Windenergieanlagen ab Ende kommenden Jahres. Indem die Wirtschaftspolitik in Brandenburg und NRW die Fortschrittsverweigerer fördert, stößt sie Investoren in eine innovative, klimaneutrale Energieversorgung vor den Kopf. Weil der Markt für neue Technologien im Stromsektor auf Jahrzehnte mit subventioniertem Braunkohlestrom geflutet wird, verlässt andere die Zuversicht unter fairen Bedingungen in den Wandel investieren zu können. Innovative Unternehmen finden in diesen Ländern kein adäquates Investitionsklima. Erfolge in verwandten Bereichen werden ignoriert. Batteriespeicher und E-Bikes verkaufen sich hervorragend. Dazu wächst die Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge in rasantem Tempo. Inzwischen gibt es gut 26.000 Ladepunkte für Elektrofahrzeuge. Auch hier die Frage: Sind klare Regeln für einen Wandel nicht eher eine Orientierungshilfe für die Wirtschaft?

Energiewende ohne Ende?

Die neu eingeführten Ausschreibungen für Erneuerbare Energien zeigen fantastisch niedrige Preise von unter 6 Cent pro Kilowattstunde für zukünftige Projekte. Jedoch um den Preis, dass der bisher boomende Markt für Erneuerbare Energie in Deutschland auf die Hälfte oder weniger eingedampft wurde (bei Photovoltaik um ca. -75%) bzw. wird (bei Wind an Land um ca. -35%). Die hinter den Ausschreibungen verborgene Marktlogik ist die folgende: Indem die Unternehmen und die Arbeitsplätze der Erneuerbaren Energien in ihrer Existenz bedroht werden, sollen sie zu niedrigen Preisen gedrängt werden. Das ist so als würde man die jährlichen Zulassungszahlen Elektro-Autos auf die Hälfte des bisherigen Niveaus herunterschrauben, um dann nur die Fahrzeughersteller zum Zuge kommen zu lassen, die die Bevölkerung mit preiswerten Elektro-Fahrzeugen versorgt. Als Ersatz für Elektro-Autos stehen ja Diesel-Feinstaubschleudern bereit. Genauso, wie als Ersatz für Strom aus Wind und Sonne Kohlekraftwerke bereitstehen. Die Methodik der Ausschreibungen scheint daher nicht passend zum Ziel der Treibhausgaseinsparung zu sein.

Dazu wird fataler Weise übersehen, dass mit den Treibhausgasemissionen Kosten, auf die Bevölkerung zukommen, für die sie nicht verantwortlich ist. Gewinne, die mit der sorglosen Kohleverbrennung erzielt werden, landen bei wenigen, steinreichen Aktionären. Kosten, wie zum Beispiel bei Schäden durch Starkregen, bezahlen die Normalbürger. Natürlich kann den direkten Zusammenhang niemand nachweisen. Genauso wenig, wie Lungenkrebs immer auf Feinstaub, Asbest oder Rauchen zurückzuführen ist. Aber ist es nicht angesichts der dramatischen Klimaveränderung Zeit, die Ursachen der Klimaerwärmung konsequenter zu bekämpfen, statt Betreibern von Kohlekraftwerken immer wieder Zugeständnisse zu machen?

Die Erneuerbaren Energien stehen inzwischen zuverlässig zur Verfügung. Sie brauchen noch flexible Gaskraftwerke auf ihrer Seite, aber auf Kohlekraftwerke ist die deutsche Stromversorgung in absehbarer Zeit nicht mehr angewiesen.

Windenergieanlagen Zubau und Anlagengröße im Ersten Halbjahr 2017 nach Bundesländern | ©BWE, VDMA, Deutsche Windguard