Gedränge im Outback?

tyssenkrupp blue.cruiser ©Hochschule Bochum Solar Car Team

tyssenkrupp blue.cruiser ©Hochschule Bochum Solar Car Team

(aktualisierte Version) Fünfundvierzig Solarfahrzeuge mit der Sonne als einzigem Treibstoff werden ab dem 8.Oktober 3000 km durch das australische Outback fahren. Sie treten an, die World Solar Challenge (WSC) zu gewinnen, die inoffizielle Weltmeisterschaft der Solarmobile.
Die Rennleitung gab am 6.Juli die offizielle Liste der internationalen Teilnehmer bekannt. Von den 16 asiatischen Teams kommt ein Viertel aus Japan. Die USA schicken 7 der 9 Fahrzeuge aus Amerika, nur 1 davon aus Südamerika. Gastgeber Australien ist mit 7 Fahrzeugen dieses Mal sehr stark vertreten. Aus Afrika kommen 2 Teams. Die 11 europäischen Teilnehmer kommen aus den Niederlanden (3), Großbritannien (2), Schweden (2), Deutschland (2), Polen (1) und Belgien (1). Da jedes der 46 Teams 2-10 Begleitfahrzeuge hat wird sich mit dem Rennstart ein beeindruckender Fahrzeugpulk in Bewegung setzen. Gut, dass der Stuart Highway im australischen Outback viel Platz bietet.

Die Fahrzeug-Teams aus 24 Ländern sind meist interdisziplinär zusammengesetzte Studentengruppen von Technischen Universitäten. Weltbekannte Ingenieursschulen präsentieren hier die Qualität ihrer Ausbildung. Aus den USA sind beispielsweise Teams der University of Michigan und der Stanford University gemeldet. Aus Deutschland sind wie erwartet die Teams der RWTH Aachen mit dem Huwei Sonnenwagen und der HS Bochum mit dem Tyssenkrupp blue.cruiser auf der Startliste. Überraschend sind die Teams GAMF/MegaLux aus Ungarn (7. bei der WSC 2015) und Onda Solare aus Italien zum 30 jährigen Jubiläum der Wettfahrt nicht dabei.

Ohne Sponsoren läuft nichts

Auch die Fahrzeugindustrie hat das Potential sonnengetriebener Elektromobilität erkannt und sponsert die Fahrzeugentwicklung der teilnehmenden Teams mit bis zu 1 Millionen Euro pro Fahrzeug. Die Gelder werden komplett für Material, Komponenten und Logistik eingesetzt. Die studentischen Entwicklungsteams umfassen bis zu 70 Personen. Sie bauen die Autos zum größten Teil selbst zusammen und arbeiten ohne Entlohnung, abgesehen von den Punkten für ihr Studium. Ihr Antrieb ist Neugierde, Forschergeist, Abenteuerlust und Klimaschutz. Daneben wird die Praxiserfahrung im Fahrzeugbau in der Industrie sehr geschätzt, so dass auch persönlicher Ehrgeiz Antrieb für diesen außergewöhnlichen Einsatz der Team-Mitglieder eine Rolle spielen kann.

Nicht zu unterschätzen ist auch der Aufwand der australischen Organisatoren: Alle zwei Jahre führen sie die WSC sicher und zuverlässig durch. Dazu wird eine weit vorausschauende Planung benötigt, denn die Teams arbeiten 18 Monate für die Teilnahme. Reifenhersteller Bridgestone hat das Potential dieser Veranstaltung erkannt und fördert das Rennen, sowie dazu noch etliche Teams. Der Organisator hat dafür den Veranstaltungsnamen um den Firmennamen ergänzt.

Feuerwerk von Innovationen

Für die meisten Teilnehmer*innen endet in diesen Wochen die Phase des Fahrzeugbaus. Beinahe täglich enthüllt ein Team nach dem anderen ihr fertig zusammengebautes Sonnenauto und gibt dabei häppchenweise kleine technische Leckerbissen des Fahrzeugs bekannt. Die modifizierten Regeln der WSC haben die jungen Fahrzeug-Entwickler*innen beflügelt, genauso wie die technische Entwicklung im Leichtbau und in der Solar-Technologie. Sie präsentieren Fahrzeuge, die entweder wie von einem anderen Stern erscheinen oder so selbstverständlich wirken, dass sie optisch kaum noch von Benzin getriebenen Spritschluckern zu unterscheiden sind. Besonders beeindruckend ist die „Wing“ aus Japan und das Nachfolgemodell des letztmaligen Gewinners der Cruiser-Klasse „Stella-Vie„. Bei der „Wing“ sind die Solarzellen hauchdünn auf einen wellenförmigen Flügel aufgebracht. Dieser scheint wie ein überdimensionierter Spoiler hinten über der winzigen Fahrerkapsel zu schweben. Stella Vie überzeugt durch 5 Sitzplätze und eine konsequente Tropfenform, die elegant auf vier Räder gestellt wurde.

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Auch der blue.cruiser aus Bochum ist ein Hingucker. Die etwas konventionelle Karosserie wirkt wie ein Sportcoupé, hat aber Platz für vier Personen. Als Neuerung haben die Bochumer das Fahrzeug mit einem Allrad-Antrieb aus vier Nabenmotoren ausgestattet. Man darf gespannt sein, ob die Vorteile eines solchen Antriebs das zusätzliche Gewicht kompensieren können. Die anstehende Testphase ist eine weitere Herausforderung: Innerhalb weniger Wochen müssen die Prototypen in zuverlässig funktionierende Rennfahrzeuge verwandelt werden. Erschwerend kommt hinzu, dass die verbleibende Zeit für die meisten Teams auch noch durch sehr aufwändigen Versand nach Australien verkürzt wird.

Alte und neue Herausforderungen

Gestartet wird am 8. Oktober in Darwin in 3 Klassen. Die 2 in der Adventure Klasse startenden US-Fahrzeuge laufen außer Konkurrenz. Die 32 Solarrenner der Challenger Klasse sind mit ca. 170 kg Gesamtgewicht leichter als ein Motorrad und fahren mit Elektromotoren, die soviel Strom wie ein Föhn benötigen. Sie kämpfen darum den Seriensieger Nuon Solar Team von der TU Delft aus den Niederlanden zu schlagen. Während der Rennwoche, täglich in der Zeit von 8 bis 17 Uhr darf bis zur ausgewiesenen Höchstgeschwindigkeit die verfügbare Sonnenenergie in Fahrgeschwindigkeit umgesetzt werden. Neun vorgeschriebene Kontroll-Stops über 30 Minuten verkürzen die verfügbare Zeit zusätzlich, so dass nur die schnellsten Fahrzeuge in 5 Tagen (40 Std. Fahrzeit) am Ziel sind. Durchschnittsgeschwindigkeiten von annähernd 100 km/h, die in den Vorjahren fast selbstverständlich waren, werden in diesem Jahr nur schwer erreicht werden können. Die Regeln wurden deutlich verschärft, so dass die Fahrzeuge der Challenger-Klasse statt 6 m² nur noch 4 m² Solarzellen als Energiequelle nutzen dürfen. Als Resultat sind die einsitzigen Fahrzeuge deutlich kleiner geworden.

Die 16 Fahrzeuge der Cruiser-Klasse sind mit ca. 370 kg gerade mal 200 kg schwerer als die Renn-Boliden der Challenger Klasse. Sie bieten dafür aber nahezu den Komfort eines Kleinwagens und bis zu 5 Personen Platz. Das Rennen geht für diese Sonnen-Schlitten über exakt 5,5 Tage. Den Sieg fährt das Fahrzeug ein, das pünktlich am Ziel ist, auf dem Weg den geringsten Energieverbrauch hatte und dabei die meisten Passagiere befördert hat. Wenn die Energie der Sonne nicht ausreicht, darf in dieser Klasse nachgeladen werden, jedoch mit einem schmerzhaften Punktabzug.

Wie die Übersicht behalten?

Wer das Rennen und die Vorbereitungen dazu verfolgen will, steht vor einigen Herausforderungen. Niemand kann überall gleichzeitig sein, wenn die Teams rund um den Globus ihre Fahrzeuge präsentieren. Selbst vor Ort während des Rennens ist das Teilnehmerfeld so weit auseinandergezogen, dass sich nur für kurze Momente ein Blick auf die Fahrzeuge erhaschen lässt. Nur die Startvorbereitungen und der Zieleinlauf mit der Siegerehrung ermöglichen etwas näheren Kontakt zu den Fahrzeugen und ihren Teams. Zwischendrin im australischen Outback ist Telefon- und Internetverbindung nur mit Satellitentelefonen stabil. Das Rennen ist noch immer ein Abenteuer.

Doch die internationale Fangemeinde für dieses Rennen wächst beständig. War es vor vier Jahren noch eine Seltenheit, wenn die Video-Tageszusammenfassungen des Rennens auf Youtube mehr als 1000 mal abgespielt wurden, haben inzwischen die größeren Teams mehrere Tausend „follower“ und überschreiten entsprechend bei vielen Beiträgen schon nach wenigen Stunden die tausender Marke, wie z.B. das Punch Powertrain Team mit über 10.000 „likes“ auf Facebook. Darüber hinaus gibt es spannende Blogs, wie MostDece und Scientific Gems, die wertvolle Hintergrundinformationen liefern und spannende Details ausgraben. Auch ich bemühe mich meinen Lesern das weit entfernte Rennen etwas näher erscheinen zu lassen. Bis zum Start im Oktober habe ich den Ehrgeiz, die teilnehmenden Teams und ihre Fahrzeuge auf diesen Seiten möglichst übersichtlich darzustellen. Dies geschieht zwar auch durch den Veranstalter (gegenüber den vergangenen Rennen in deutlich verbesserter Form!), aber die Übersicht auf perpetu-blog soll besser werden. Wer also Fehler findet oder Informationslücken durch Ergänzungen schließen kann, ist herzlich willkommen mir diese zu schicken.