Wandel (be)greifbar gestalten

Ausschnitt Website Futurzwei Zukunftsalmanach 2015/16 mit Buchcover, Quelle; ©futurzwei stiftung

Ausschnitt Website Futurzwei Zukunftsalmanach 2015/16 mit Buchcover, Quelle; ©futurzwei stiftung

Ende letzten Jahres ist ein unbedingt lesenswertes Buch erschienen. Es nennt sich knöchern „Futurzwei Zukunftsalmanach 2015/16„. Um ein Haar hätte der Titel und die Covergestaltung im Stile eines Steuerratgebers mich davon abgehalten das Buch zu kaufen. Erst der Untertitel, der Geschichten vom guten Umgang mit der Welt ankündigt, beschreibt ein bisschen genauer was den Leser erwartet.

Man kann den Autoren nach dem Lesen des über 500 Seiten starken Taschenbuchs nur zustimmen, wenn sie im Klappentext ankündigen „Das 21. Jahrhundert braucht Orientierung – Geschichten von besseren Lebensstilen, Geschichten über eine gelingende Zukunft.“ Den Herausgebern Harald Welzer, Dana Giesecke und Luise Tremel gelingt mit einer ausgewogenen Balance zwischen politischen Texten, lebhaft beschriebenen praktischen Beispielen und literarischen Kurzgeschichten ein fesselndes Buch zum Thema Ressourcen.

Der Schwerpunkt bilden kurze Projektberichte, die einen neuen Umgang mit Material zeigen. Statt zu lamentieren, wie knapp das Material in Zukunft sein wird, lassen die Herausgeber Beteiligte von Projekten berichten, denen ein nachhaltiger Umgang mit Material zu gelingen scheint. Es sind die mit persönlichem Engagement verknüpften Erfolge im kleinen, die Mut und Lust auf mehr machen. Im Kapitel „Saft und Stoff“ werden dabei auch Beispiele einer gelungenen Energiewende vorgestellt.
Selbst wenn nicht alle Beispiele gleichermaßen überzeugen können, sind sie doch ein Quell von Motivation und Information für alle, die schon immer etwas anders machen wollten. Mit Fotos geht das Buch sehr sparsam um. Deshalb ist es begrüßenswert dass die kurzen Texte zu den vorgestellten Projekten immer mit einem Info-Kästchen ergänzt werden, welches auch Internet-Adressen enthält. Mehr visuell orientierte Leser können sich auch auf der ansprechend gestalteten Netzpräsenz näher und bunter informieren. Teile des Buches stehen dort kostenlos auch als Hörbuchdatei zur Verfügung.

Energieblogger schaffen Gegenöffentlichkeit

Die Erwartungen an das, was Energiewende ist oder sein könnte, gehen weit auseinander. Während die Skeptiker der Erneuerbaren Energien von einem kurzfristigen Modetrend ausgehen, setzen die Überzeugungstäter darauf, dass die Energiewende der Anfang der weltweiten Umstellung auf eine völlig neue, nachhaltige Wirtschaftsweise ist. Das ruft einige, meist konservative Medien auf den Plan, die sich nahezu dogmatisch der Kritik an der Energiewende verschrieben haben. Doch parallel dazu hat sich eine Gegenöffentlichkeit etabliert, die in vielfältiger Weise die Errungenschaften der Erneuerbaren Energien journalistisch verbreitet. Die Energieblogger, Gewinner des Deutschen Solarpreises 2014, sind nur ein Beispiel von vielen. Sympathisch ist auch die (schleichwerbefinanzierte) Web-TV-Produktion „Leben mit der Energiewende“ mit Moderator Frank Farenski. Dieser hat inzwischen auch drei Teile eines Films in Spielfilmlänge produziert, der frei downloadbar ist. Auf die Wahrnehmung der Energiewende im Ausland zielt das Filmprojekt „Welcome to the Energiewende“ von Craig Morris, der inzwischen auch zusammen mit der Böll-Stiftung den Blog „energytransition.de“ auf die Beine gestellt hat. Die Botschaft hinter der Botschaft ist: Energiewende als Bürgerenergiewende macht Spaß!

Transition Town Bewegung ist Vorreiter

Das Transition Town Netzwerk setzt ebenfalls auf den Bürger, beschäftigt sich aber mit weit mehr, als mit der Transformation der Energieversorgung. Sie nimmt die mögliche Verknappung von Rohstoffen durch den exzessiven Ressourcenverbrauch der hochentwickelten Industriegesellschaften zum Anlass, neue Formen des menschlichen Zusammenlebens zu entwickeln, die resilient (widerstandsfähig) gegen soziale Verwerfungen sind. Die weltweite Bewegung der Transition Towns startete 2006 in England mit Unterstützung von Rob Hopkins in der Kleinstadt Totnes. Dörfer, Stadtviertel oder ganze Städte können Transition Towns werden, wenn sich genügend Leute finden, die entschlossen sind den Wandel als soziale Chance und Aufgabe zu betrachten und ihn selbst in die Hand nehmen. Auch in Deutschland gibt es über 80 aktive Transition-Town Gruppen. Rob Hopkins Buch „The Transition Handbook – From oil dependency to local resilience“ ist unter dem Titel „Energiewende – Das Handbuch“ in deutscher Übersetzung bei Zweitausendeins erschienen.